Creative Characters S2 E8: Andrew Krivine und Michael Worthington.
Michael Worthington.
Im Podcast Creative Characters sprechen wir mit kreativen Menschen, die an der Schnittstelle zwischen Schrift und Kommunikation arbeiten. Sie können die aktuelle Episode ganz unten auf dieser Seite starten, oder auf Apple, Spotify, Google Podcasts, oder überall, wo gute Podcasts angeboten werden.
Die Gäste dieser Woche sind vielseitig begabt. Wir begrüßen Andrew Krivine, Autor und Punkrock-Sammler, sowie den Kurator Michael Worthington, Gründungspartner von Counterspace und Dozent für Grafikdesign am CalArts. Wir haben das Duo eingeladen, um zu erzählen, wie sie die neueste Ausstellung des Pacific Design Center „Torn Apart“ gestaltet haben, die größte Ausstellung von Punk- und New-Wave-Grafiken, die je an der Westküste zu sehen war.
Eine gute Sache erkennen, indem man sie hört.
Wie viele Geschichten über Musikgeburtsstunden kommen wir an The Clash nicht vorbei.
Als Andrew aufwuchs, besuchte er jedes Jahr seine Tanten und Onkel in London. Sein Cousin ersten Grades, John, gründete in den 1970er-Jahren die Punk-Läden Acme Attractions und BOY. Während er bei BOY abhing, hörte Andrew sein erstes Clash-Album.
„Die ersten paar Male, als ich es hörte, hab’ ich nicht verstanden, was der Sänger sagen will. Es ging mir regelrecht auf die Nerven. Aber beim vierten Mal wurde es mir plötzlich klar: Das ist die beste Platte aller Zeiten“, erinnert sich Andrew.
Im Laufe der Zeit zogen ihn die grafischen Ephemera der britischen Punkmusik so sehr an, dass er begann, sie zu sammeln. Heute besitzt er eine der größten Privatsammlungen von Punk- und Post-Punk-Designs und -Memorabilien der Welt. Seine Sammlung umfasst über 7.000 Stücke, darunter Poster, Flyer, Fanzines und Aufkleber.
Irgendwann ist Andrew an Michael herangetreten, um die Sammlung aus den Jahren 1976–1986 zu einem 1000 Teile umfassenden Schaukasten zusammenzustellen: die Ausstellung „Torn Apart“ im Pacific Design Center. Um die ganze Geschichte dieser Zusammenarbeit zu erfahren, hören Sie sich den Podcast an.
Michael befindet sich auf einer ähnlichen Wellenlänge wie Andrew, denn auch er fühlte sich seit seiner Kindheit von der typografischen Gestaltung von Bands und Musikern angezogen.
„In Andrews Sammlung zu stöbern fühlte sich an wie ein gigantisches Weihnachtsgeschenk, mit all den Dingen, die ich schon immer haben wollte. Ich erinnerte mich wieder daran, wie ich als Kind Bandlogos auf mein Federmäppchen oder auf die Rückseite meiner Schulbücher gezeichnet und in meinen Schreibtisch geritzt habe“, ergänzt er.
Die Musikszene in England.
In den 70er-Jahren wurde die Musikszene zu einer Spielwiese der Jugendkultur und zum Mittel der Selbstdarstellung. Begeisterte Hörer trugen Anstecknadeln ihrer Lieblingsbands wie einen Schutzschild, um zu zeigen, was sie hörten und zu welchen Musikkreisen sie sich zählten. Die verwendete Typografie stand sowohl für den Wandel der visuellen Sprache und der eigenen Haltung.
„Es war, als ob man plötzlich die Erlaubnis hatte, alles zu tun, was man tun wollte. In England hatte das auch mit einem unterdrückenden Klassensystem zu tun, weil in der Arbeiterklasse immer das Gefühl vorherrschte: Wir können nichts tun oder wir dürfen nichts tun. Wir brauchen die Erlaubnis der Oberschicht“, erläutert Michael.
Er bezeichnet Jamie Reid als einen der Grafikdesigner, der die Punk-Attitüde wirklich ins Design übertragen hat. Seine Typografie komponierte Buchstaben, die er aus Zeitungen ausschnitt und die auf dem Albumcover von „Never Mind the Bollocks“ der Sex Pistols und deren Singles „Anarchy in the UK“ und „God Save The Queen“ wie Lösegeldforderung aussahen.
Die Do-it-yourself-Mentalität des Punkrock übertrug sich auch auf die Ästhetik von Albumcover und Plakate, die häufig von Freunden der Bandmitglieder entworfen wurden, die sich von der Kunstschule kannten.
„Die sozialen Umstände brachten es mit sich, dass sich diese unglaublich talentierten Leute immer wieder über den Weg liefen“, sagt Andrew.
Grafikdesign war eine Chance für die Studierenden aus der Arbeiterklasse, die an der Kunstwelt teilhaben und gleichzeitig ihren Lebensunterhalt verdienen wollten. Die Form des Designs entwickelte sich aus der Druckindustrie, die historisch gesehen eine Klassenindustrie ist.
„Man musste damals für den Schriftsatz bezahlen. Es war nicht so wie heute, wo jeder alles sehr schnell am Laptop zusammen basteln kann. Ein Großteil der Ästhetik der frühen Punk-Arbeiten stammt von Menschen, die kein Geld hatten. Sie fragten sich jedes Mal ‚Wie bekomme ich das selbst hin?‘ Ich empfinde, diese Art von Rohheit und Körperlichkeit in vielen Designarbeiten dieser Zeit immer noch sehr ansprechend“, ergänzt Michael.
Favoriten der Fans
Nachdem wir nun einen Spaziergang durch die Geschichte des Punk gemacht haben, ist es an der Zeit zu sehen, wie das Grafikdesign aus den 70er- und 80er-Jahren die Zeit überdauert hat.
Eines von Andrews Lieblingsmotiven ist das Poster, das Peter Saville für die Elektronikband Orchestral Manoeuvres in the Dark entworfen hat. Das Artwork entstand für ihr 1983 erschienenes Album „Dazzle Ships“.
Andrew schätzt auch die Arbeiten des Designers John Angus, der als hausinterner Plakatgestalter für die Universität von Lancaster in Nordwestengland tätig war. Andrews Lieblingsarbeit ist das Plakat für The Adverts, eine englische Punkband, die von 1976 bis 1979 existierte. „Die Farben sind außergewöhnlich und die Idee dahinter ist einfach wunderbar.“
Zu Michaels Favoriten gehört Malcolm Garretts Plakatentwurf für die englische Punkrockband The Buzzcocks.
Michael mag auch die ausdrucksstarken, zeitgemäßen Schriften, die der Designer Martin Kaye für die Konzerte im Paradiso in Amsterdam entworfen hat. Kaye war der dienstälteste interne Designer des Paradiso und setzte das Split-Fountain-Siebdruckverfahren, mit dem sich – mit nur einem Siebdruckrahmen – mehrfarbig Drucke herstellen lassen.
Da diese Entwürfe dank der Kunstausstellung „Torn Apart“ in West Hollywood wieder an die Öffentlichkeit gelangen, freuen sich Andrew und Michael besonders darauf, ihre Leidenschaft mit einer jüngeren Generation von Designerinnen und Designern zu teilen und diese zu inspirieren.
„Wenn diese Entwürfe bei jungen Menschen ein emotionales und ästhetisches Echo auslösen, würde mich das ganz besonders freuen“, sagt Andrew.
Besuchen Sie die Ausstellung „Torn Apart“ in der PDC Design Gallery bis zum 8. September. Für weitere Informationen besuchen Sie die PDC Design Gallery auf Instagram und die Website der Ausstellung. Um mehr von Andrews Arbeit zu sehen, sehen Sie sich seine Sammlung veröffentlichter Bücher an.