5 Rebrandings, die durch Schrift ihren Markt verändert haben.
James Fooks-Bale
Das Rebranding eines Unternehmens oder einer Marke ist nichts für schwache Nerven. Es ist eine enorm herausfordernde Aufgabe, die viel Zeit und Investitionen erfordert, gleichzeitig aber auch die Chance eröffnet, einer Marke mehr Relevanz zu geben.
Die Liste der Gründe, die für eine Überarbeitung der visuellen Identität eines Unternehmens sprechen können, ist lang. Die Gründe reichen von rein ästhetischen Überlegungen bis hin zu eher technischen Aspekten. Manchmal ist es auch einfach so, dass ein Unternehmen seine Positionierung geändert hat, sodass das aktuelle Branding nicht mehr passend erscheint. Auch Fusionen und Übernahmen sowie die Expansion in neue Märkte oder Produktbereiche sind oft Anlass zur Entwicklung einer neuen Designsprache. Aus welchen Gründen auch immer, etablierte Marken sind nicht selten dazu gezwungen, ihre visuelle Identität zu straffen oder zu vereinfachen, weil sie im Laufe der Jahre immer komplizierter geworden ist.
Schrift ist die Seele eines Unternehmens
Die Antwort auf viele der Herausforderungen bei einem Rebranding lautet: typografischer Neustart. Farbe und Form sind natürlich wichtig, aber die Seele und visuelle Stimme eines Unternehmens ist die Schrift. Ihre Kraft wirkt in allen Kanälen und Umgebungen. „Sie kann dabei helfen, die Verbraucher mit Vertrauen und Authentizität zu gewinnen“, sagt James Fooks-Bale, Creative Director bei Monotype. „Man kann mit Schrift etwas plötzlich umgestalten. Sie kann aber auch inspirieren.“
Ein Rebranding mit einer neuen Schrift kann Marker und Menschen in die Zukunft führen, die Vergangenheit wiederbeleben oder einen bestimmten Ort oder eine Kultur ansprechen. „Es geht um die Form, aber auch um Inhalt und Stil“, erläutert Fooks-Bale. „Schauen Sie sich den kleinsten gemeinsamen Nenner an, etwa den Becher einer Fluggesellschaft, der nur aus recycelter Pappe und einer Prägung besteht: keine Farbe, kein Sound, keine anderen Merkmale als die Form der Buchstaben. Oder nehmen Sie das 16 × 16 Pixel große Favicon einer Website. Oder das Profilbild eines Social-Media-Accounts. Es ist eine Art Signatur. Es kann wie ein Klebstoff über alle Berührungspunkte hinweg wirken, um eine Marke vom Großflächenplakat bis hinunter zur Visitenkarte zusammenzuhalten.“
Schrift hat auch eine emotionale Komponente. Zwar sind sich viele von uns ihrer Wirkung nicht bewusst, aber es lässt sich nicht leugnen, dass sie uns beeinflusst. Dieser emotionale Einfluss kann der Schlüssel zu einem erfolgreichen Rebranding sein, das einem Unternehmen hilft, sich neu mit den Verbrauchern zu verbinden.
Ein iterativer Ansatz für die Markenbildung
Ein Rebranding ist mehr als nur eine große Ankündigung oder ein unternehmensweites visuelles Update. Marken müssen flexibel sein und sich an neue Herausforderungen anpassen. Ihre Designsprache und ihre Schriften müssen dabei mitspielen. „Veränderung ist die einzige Konstante im Leben“, sagt Fooks-Bale. „Sei es, dass sich die Ansichten der Zielgruppe ändern, sei es, dass sich die Welt um sie herum verändert, sei es, dass es neue Technologien gibt. Es kann auch sein, dass das Unternehmen wächst und in neue Bereiche vordringt. Und wenn man diese zwei oder drei Jahre dauernde Markenauffrischung beendet hat, wenn die Brücke also gestrichen ist, kann man eigentlich gleich wieder vorn mit dem nächsten Neuanstrich beginnen.“
Ein eher iterativer Ansatz fürs Branding kann einige der schwierigsten Herausforderungen abfedern und einem Unternehmen dabei helfen, sich zu verändern, ohne eine komplette Markenauffrischung vornehmen zu müssen. Dabei kann eine Rebranding-Schrift Wunder wirken, indem sie ein solides Fundament bildet, auf dem die neuen Botschaften sicher stehen können, das aber auch jederzeit erweitert und angepasst werden kann.
Branchenverändernde Rebrandings
Der exzellente Einsatz von Schrift zieht sich wie ein roter Faden durch einige der größten und erfolgreichsten Rebrandings des letzten Jahrzehnts, von denen einige nicht nur das Unternehmen selbst, sondern den gesamten Markt, in dem sie zu Hause sind, umgekrempelt haben:
Minimalistische Typografie mit großer Wirkung
Das Whitney Museum of American Art, entworfen von Experimental Jetset, 2013
Obwohl das Erscheinungsbild extrem minimalistisch ist und Schrift eher sparsam eingesetzt wurde, zeigte das Rebranding des Whitney, wie viel Ausdruckskraft in einer einzigen serifenlosen Buchstabenform steckt. Das Designbüro Experimental Jetset entwickelte das sogenannte „responsive W“, ein variables Raster, das von einer monolinearen Buchstabenform definiert wird und je nach Bedarf angepasst werden kann, um einen Rahmen für Abbildungen und Gestaltungselemente vorzugeben.
„Ich weiß noch genau, wie Experimental Jetset dieses Konzept vorstellte: Es war unglaublich frisch“, erinnert sich Fooks-Bale. „Es war wie nichts anderes zuvor. Es bot Stabilität und Fluidität durch einen einzigen Buchstaben, durch das W und wie es sich an verschiedene Seitenformate, Layouts, Höhen, Breiten, Orte und Situationen anpassen und erweitern ließ.“
Das Rebranding bot nicht nur einen zeitgemäßen Ansatz, der im Gegensatz zum „Heritage“-Branding anderer Kunstinstitutionen stand – von denen viele inzwischen übrigens modernere Wege beschritten haben –, sondern war auch ein Vorbote unseres sich wandelnden Verständnisses von Geschäftsmodellen. „Es wurde eingeführt, bevor die Menschen Marken als lebende, atmende Dinge betrachteten“, fügt Fooks-Bale hinzu. „Meiner Meinung nach war das Rebranding des Whitney Museums seiner Zeit weit voraus. Es gab nur wenige Zutaten, aber diese wurden unglaublich gut eingesetzt.“
Eine Food-Marke, die das Gesicht von Food verändert hat
Chobani, intern entworfen, 2017
Die nostalgische Retro-Marke des Joghurtherstellers hat nicht nur ihren eigenen Markt, sondern die gesamte Lebensmittelbranche auf den Kopf gestellt. Die Nachwirkungen sind noch Jahre später zu spüren, da andere große Lebensmittelmarken wie Burger King ähnliche Vintage-Rebrandings vorgenommen haben.
Chobani hat die nostalgische Designbewegung auf der typografischen Ebene eingeläutet, indem es sich eine exklusive Serifenschrift entwerfen ließ, die visuelle Details aus früheren Jahrzehnten aufgreift. Die Marke brach mit dem branchenüblichen Standarddesign und setzte auf eine eigenständige, charaktervolle Schrift, die andere Marken zu dieser Zeit einfach nicht hatten. „Sie war visuell fast verstörend“, ergänzt Fooks-Bale.
Über das Rebranding wurde in der Fachpresse ausführlich diskutiert, und wie bei allen guten Designprojekten gab es heftige Debatten. Am Ende war Chobani der Sieger, mit seinem Anspruch, sich gegen die vorherrschenden typografischen und technischen Klischees zu stellen und stattdessen eine ästhetisch passende und gleichzeitig funktionale Schrift einzuführen, die analog und digital bestens performt.
Daten machen einen Ort aus
Amsteldok, entworfen von VBAT, SuperUnion und Fontsmith, 2019
Mit der Weiterentwicklung der digitalen Technik wuchs auch das Potenzial für flüssige, ausdrucksstarke und reaktionsschnelle typografische Inszenierungen enorm. VBAT, SuperUnion und Fontsmith machten sich dies beim Rebranding von Amsteldok zunutze, dem Campus des Kreativnetzwerks WPP in Amsterdam.
Dieses Projekt hat die Art und Weise, wie Orte und Umgebungen markiert werden, völlig verändert und eine lebendige Identität geschaffen, die auf Bewegung, Tageszeit und Temperatur reagiert. In der Vergangenheit hätte man sich bei dieser Art von Arbeit auf statische Wegweiser und Logos verlassen. Doch Amsteldok erwies sich als Pionier für die revolutionären Möglichkeiten, die in der Variable-Font-Technologie schlummern.
„Der Campus wollte keine feste, sterile Identität“, sagt Fooks-Bale. „Das Corporate Design sollte in Bewegung sein, sich verändern und auf die jeweilige Situation reagieren. Die Umrisse der Buchstabenformen dehnen sich aus, ziehen sich zusammen, die Farben ändern sich. Gegen Abend wurde es ruhiger und stiller, gegen Mittag wurde es aktiver. Man könnte das System mit jeder Art von Daten füttern, und es würde jedes Mal eine andere visuelle Stimmung erzeugen.“
Das Projekt deutet auf das enorme Potenzial von variablen Fonts in Kombination mit Daten hin, die auf die unterschiedlichen emotionalen Zustände und Verhaltensmuster der Menschen im Laufe des Tages reagieren können. „So wunderbar kann man mit Variablen in der Typografie spielen“, sagt Fooks-Bale.
Das Ausdruckspotenzial von Schrift
San Francisco Symphony, entworfen von COLLINS, 2021
Für Kunsteinrichtungen wie das San Francisco Symphony geht es vor allem darum, Bewegung zu feiern und Gefühle zu wecken. Und genau das war das Ziel des Rebrandings im Sommer 2021.
COLLINS hat zu einer traditionellen Typografie gegriffen und ihr die Fähigkeit verliehen, als Reaktion auf den Klang zu tanzen. Die dem CI zugrundeliegende variable Schrift hat ihre Wurzeln in dem eher klassischen Branding, mit dem Kulturhäuser üblicherweise assoziiert werden, in diesem Fall aber mit einer expressiven Wendung, die den Weg für neue Interpretationen ebnet.
„Wenn man sich einige dieser Institutionen ansieht, gibt es eine Art stille Übereinkunft darüber, wie ein Museum, eine Galerie oder eine Konzerthalle auszusehen hat“, sagt Fooks-Bale. „Solche Orte neigen dazu, sich auf vergangene Stilmittel zu stützen, die auf vergangenen Stilmitteln basieren. COLLINS hat das durchschaut und die Marke lebendig, glaubwürdig und frisch gemacht.“
Typografischer Maximalismus
Evri, entworfen von SuperUnion und Monotype, 2022
Während seine Wettbewerber in puncto Design auf Kontinuität setzen, hat sich der größte britische Lieferdienst Evri (ehemals Hermes) in einem hektischen und hart umkämpften Markt durch das genaue Gegenteil neu etabliert: typografischer Maximalismus. Mit dem Rebranding wurde ein „lebendiges“ Logo eingeführt, das in fast 200.000 typografischen Kombinationen gebaut werden kann, um sicherzustellen, dass der Auftritt von Evri nie gleich aussieht.
Monotype entwickelte eine maßgeschneiderte Schrift, die so programmiert ist, dass Buchstaben und Symbole nach dem Zufallsprinzip angeordnet werden. Eine revolutionäre Entscheidung in einem Markt, in dem Zuverlässigkeit durch statische, verlässliche Markenzeichen vermittelt wird.
„Evri wollte seinen Fahrern und Kunden mit einer etwas menschlicheren Seele begegnen, aber gleichzeitig wiedererkennbar bleiben, sodass man als flexibel und anpassbar zugleich wahrgenommen werden und dennoch die Love Brand bleiben konnte“, sagt Fooks-Bale. „Niemand will starr oder unflexibel sein. Wir alle reagieren auf unser Umfeld. Und deshalb basiert dieser Marken-Refresh auf einem flexiblen, fließenden, lebendigen und atmenden Designsystem.“
Wo soll man anfangen?
Ein Rebranding war noch nie so vielversprechend wie heute. Und dabei spielt die Schrift eine tragende Rolle. Wenn Sie die große Entscheidung getroffen haben, das Branding Ihres Unternehmens zu überarbeiten, besteht der nächste Schritt darin, herauszufinden, wie eine oder mehrere neue Schriften das Branding unterstützen können. Ein vertrauenswürdiges Schriftportal bietet Zugang zu Tausenden potenzieller Hausschriften, die an einem leicht zugänglichen Ort untergebracht sind. Dies kann sehr hilfreich sein, um die Richtung des Rebrandings zu definieren und herauszufinden, welche Schrift den Tonfall eines Unternehmens am besten wiedergibt. „Wenn man eine riesige Bibliothek zur Verfügung hat, kann man schnell herausfinden, was technisch und auch visuell für die jeweilige Aufgabe geeignet ist“, sagt Fooks-Bale. „Experimentieren Sie mit Schrift. Geben Sie sich nicht zufrieden. Starten Sie das ganze Spiel neu. Immer wieder.“