Es ist unser gemeinsames Ding: Warum eine Marke von innen nach außen gebaut werden muss.
Wir alle kennen die Volksweisheit: „Auf die inneren Werte kommt es an!“ Sicher, der Charakter einer Person ist entscheidender als ihr Aussehen. Aber was hat das mit Branding zu tun? Nun … wenn eine Marke mit ihrem Publikum in Kontakt tritt, geht es auch um Aussehen und Persönlichkeit.
Tatsächlich sollte auch im Branding alles, was nach außen gerichtet ist, aus einem starken und geeinten inneren Kern entspringen. So gesehen sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen Markenmanager, manchmal bewusst, meist unbewusst. Von den Führungskräften bis hin zu den jüngsten Neueinstellungen sollten sich alle an Initiativen der Marke, ihrer Mission und ihrer Identität beteiligen und diese mit vorantreiben.
„Wenn Sie sich zu einem großen Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Mitarbeitern entwickelt haben, die verschiedenste Verantwortungen tragen, fällt es manchmal schwer, die eigene Rolle in diesem System zu erkennen“, weiß Britt Cobb, Associate Partner bei Pentagram. „In einem solchen Fall kann ein Marketing nach innen den Aufgaben, die jeder Einzelne leistet, einen tieferen Zweck und Sinn geben. Das Ziel ist, allen Kolleginnen und Kollegen die Fähigkeit zu geben, ihr unternehmerisches Tun, egal wie lokal oder ausgedehnt es ist, mit der Mission des Unternehmens zu synchronisieren.“
Im Idealfall bekommen irgendwann alle Mitarbeiter ein Gefühl dafür, dass sie Teil von etwas Größerem sind und zum Erfolg der Geschäfts beitragen. „Die interne Markenbildung soll auf keinen Fall ,top down‘ implementiert werden, nach dem Stromberg-Prinzip ,alle mal kurz herhören, die Sache funktioniert jetzt so und so‘. Vielmehr geht es um Partizipation und Engagement, also um ,das hier ist unser gemeinsames Ding‘“, erläutert Cobb. „Ich vergleiche das gerne, etwas martialisch, mit einer Art Schlachtruf.“
Das interne Branding hilft den Mitarbeitern im Unternehmen, den Sinn ihrer Arbeit zu entschlüsseln und gleichzeitig zu verstehen, wie sie zum Geschäftsziel beiträgt. Wenn sich alle im großen Ganzen wiederfinden und spüren, dass ihr Handeln nicht im Vakuum stattfindet, sondern einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leistet, entsteht eine intensivere Bindung, mehr Engagement und ein Gefühl der Zufriedenheit. Kurz gesagt: Stolz.
Mitarbeiter fördern
Wir neigen dazu, die Kreativen und das Marketing als die alleinigen Hüter einer Marke zu betrachten. Dabei sind alle Kolleginnen und Kollegen, die eine Mail versenden, eine Präsentation halten oder eine Rechnung schreiben Botschafter und Baumeister ihrer Corporate Identity.
Britt Cobb, Associate Partner bei Pentagram.
Auch interne E-Mails und Präsentationen, die Außenstehende gar nicht zu Gesicht bekommen, sind Teil der Markenkommunikation. Welche Schrift benutzt der Teamleiter: unsere Hausschrift oder irgend einen System-Font? Wissen die Buchhaltung, der Kundendienst und (vor allem auch) die Führungsetage überhaupt, was unsere Unternehmensschrift ist? „Der Teufel steckt im Detail“, sagt der Volksmund … im Branding gilt aber „Gott steckt im Detail.“ Deshalb müssen alle im Unternehmen als Botschafter der eigenen Marke auftreten, mit viel Liebe zum Detail.
Wer sich um Details kümmert, die Kunden wahrscheinlich gar nicht wahrnehmen, wird sich auch um Details kümmern, die Kunden garantiert sehen. Sind Mitarbeiter mit den Merkmalen ihrer Marke gut vertraut und setzen diese bei der eigenen Arbeit ein, werden ihnen auch Mängel an den kleinen, aber entscheidenden Stellen ins Auge fallen, wo das Vertrauen des Kunden gewonnen oder verloren gehen kann. Das entscheidende Wort in diesem Zusammenhang ist „Förderung“. Einfach nur zu erklären, dass von nun an alle Mitarbeiter für Präsentationen, Korrespondenzen oder auf Social-Media die Schrift XYZ verwenden müsse und dann die Sache einfach so laufen zu lassen … das wird nicht funktionieren. Vielmehr besteht die Herausforderung im Unternehmen darin, kontinuierlich an die (visuelle) Identität zu erinnern und vor allem den Zugang und die Nutzung der Markenbausteine zu einfach wie möglich zu machen.
Auch wenn sich Cobb darüber im Klaren ist, dass Nicht- Designer mit der Hausschrift, dem Firmenlogo und den Markenfarben kaum professionelle Ergebnisse erzielen, sei dies der richtige Weg. Die Markenbausteine intern für alle zugänglich zu machen fördere das Engagement, die Zugehörigkeit und das Wertempfinden für die eigene Arbeit. „Wenn wir bei Pentagram ein Brand-Design entwerfen, ist der erste Reflex, es irgendwie einzuzäunen, damit es sicher aufgehoben ist“ sagt er. „Aber so funktioniert das in einer vernetzten Welt nicht mehr. Wir können nicht alles durchgestalten. Wir können nur hoffen, dass unsere Tools so entwickelt sind, dass die späteren Benutzer unbefangen und selbständig damit arbeiten können.“
Jenseits der Markenbausteine hilft ein Corporate Design auch, Menschen durch eine gemeinsame visuelle Sprache zusammenzuführen. „Manchmal, wenn wir etwas entworfen haben, ist es eine große Freude zu beobachten, wie sich auf einmal Mitarbeiter in ganz anderen Abteilungen angesprochen fühlen … weil sie stolz sind“, sagt Cobb. „Dann heißt es: ,Ich will auch dieses neue glänzende Ding. Ich möchte dasselbe T-Shirt tragen, das unser Vorstand gestern anhatte. Ich möchte das aktuelle Großflächenplakat als Wallpaper.‘ Es ist schmeichelhaft, wenn Nicht-Designern auf unsere ,heilige‘ Arbeit anspringen, und es ist ein gutes Zeichen, wenn sie das Design haben wollen und ebenfalls verwenden möchten: Es bedeutet ihnen was.“
Britt Cobb, Associate Partner bei Pentagram.
Ein Corporate Design berührt viele Teile eines Unternehmens. Deshalb kooperiert Cobb mit den verschiedensten Abteilungen einer Firma, die alle in den Designprozess involviert werden – nicht nur Marketing, auch die Personalabteilung, Forschung und Entwicklung, Corporate Communications, der Beauftrage für Nachhaltigkeit … um nur ein paar wenige zu nennen. Sie alle haben die erste Präsentationen und Überarbeitungsrunden durchlaufen, und dann „fühlt es sich ein bisschen so an, als sei es ihr Baby“, sagt Cobb. „Wir hoffen, dass sich alle ihre Ideen und Erwartungen im finalen Ergebnis widerspiegeln … dass sie ihre Emotionen, ihr Denken, ihre Ideen im Design wiederfinden“.
Auf diese Art ist der Unternehmenserfolg eng mit dem Design verknüpft. Cobb gibt ein Beispiel: „Nehmen wir an, die Marke bringt ein neues Produkt auf den Markt und es führt dazu, dass die Kundennachfrage steigt und sich das Produkt gut verkauft. Die Tatsache, dass gutes Design zu diesem Ergebnis geführt hat, gibt den Mitarbeitern das Gefühl, ein Teil dieses Erfolgs zu sein, und es macht sie stolz.“
Auf einem unserer Brand-Talks-Events stellte Britt Cobb die Ergebnisse eines unternehmensweiten Branding-Projekts für Verizon vor, das ausschließlich für die Mitarbeiter erstellt wurde. Dabei erlebte er, wie solche Projekte, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, am Ende trotzdem nach außen durchschlagen, auch wenn es sie nicht geplant war. „Internes Branding schweißt die Menschen im Arbeitsprozess zusammen, wodurch Marken-Philosophie, -Botschaft und -Denkweise in Produkte und Dienstleistung einfließen, und auf diesem Weg das Licht der Öffentlichkeit erblicken“, sagt er.
Cobb betont, dass auf diese Art interne Initiativen schließlich doch zu externen werden – gerade in der digital vernetzten Welt, wo Marken ihr Publikum auf Wegen erreichen, wie es früher nicht gab. Unternehmen erkennen dann, dass ihr interner Kommunikationsstil mehr ist als die Art und Weise, wie man intern miteinander umgeht: er entwickelt sich zur Stimme, mit der man den Kunden gegenübertritt.
Laut einer Studie von Wrike Project Management leistet internes Marketing noch mehr: es wirke sich positiv auf die Motivation der Mitarbeiter aus, was zu einem besseren Kundenengagement, höherer Produktivität, besserer Kundenbindung und 21 Prozent höherer Rentabilität führe. Als die drei Hauptgründe für die Begeisterung der Mitarbeiter führt die Studie an: Freude an der Arbeit (43 Prozent), eine bessere Zusammenarbeit (40 Prozent) und die Erkenntnis, dass die eigene Arbeit zu den allgemeinen Unternehmenszielen beitrage (26 Prozent). Die drei Hauptursachen für mangelndes Engagement der Mitarbeiter seien das Gefühl, nicht anerkannt oder unterbewertet zu sein (45 Prozent), schlechte Bezahlung (32 Prozent) und die Überzeugung, überlastet und ausgebrannt zu sein (29 Prozent). Fazit: Es gibt nicht nur emotionale Gründe, die Mitarbeiter zu integrieren, sondern es sprechen auch klare wirtschaftliche Gründe für ein internes Branding.
Wenn die Unternehmensführung daran glaubt, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum gemeinsamen Erfolg beitragen (und dies auch kommuniziert), fühlen sich alle unterstützt und gefördert. Jeder will weiter vorankommen, sich als Markenbotschafter beteiligen und einen bestmöglichen Beitrag leisten. So gesehen ist internes Marketing mehr als Design, Kommunikation und Training … es geht um Vernetzung, Beziehungen, positive Stärkung und Empathie.
Dieser Weg ist kein leichter.
Jede Aussage oder Entscheidung, die eine Marke trifft, trägt dazu bei, wer sie ist und wo sie sich in ihrer Branche und in der Gemeinschaft positioniert. Alles, was eine Marke macht, muss ehrlich sein und im Einklang mit ihrer Identität stehen - auf allen Ebenen und in allen Bereichen des Unternehmens. Den Mitarbeitern wird es ziemlich egal sein, welche Schrift sie verwenden oder wie viel Weißraum um ein Logo freigeschlagen werden muss, wenn ihr Arbeitgeber in der Praxis nicht für das steht, was er sagt und wenn die Teams keine Unterstützung erleben. Damit das interne Branding nicht in einen Top-down-Ansatz abgleitet, vor dem Cobb warnt, müssen die Mitarbeiter darauf vorbereitet werden, sich zu beteiligen. Das setzt allerdings voraus, nach jenen Werten zu handeln, die man sich auf die Fahne geschrieben hat … falls vergessen: vielleicht noch mal die Markenhymne vom letzten TV-Spot anhören.
Große Unternehmen, die einen starken Einfluss auf das Leben der Kunden, den Markt oder sogar die Welt haben, müssen bisweilen ihr Tun auf den Prüfstand stellen - zum Beispiel indem sie sich fragen, wo und wie sie ihre Werbegelder ausgeben, wie sie ihre Mitarbeiter behandeln, warum der Moment für den Verzicht auf fossile Brennstoffe gekommen ist, ob man an Sonn- und Feiertagen geöffnet haben muss und warum das Ausmaß der Leiharbeit in eine Sackgasse geführt hat … um nur einige zu nennen. Die Antworten darauf wirken sich sowohl auf die Markenwahrnehmung der Mitarbeiter, also auch die der Verbraucher aus. Und wieder wird die Perspektive von innen zu einer Perspektive von außen.
„Gerade an den Themen, die durch Corona aufgekommen sind, kann Verizon nicht vorbeigehen“, betont Cobb. „Das Unternehmen ist einfach zu groß. Da ist es wichtig, wo und wie es wirbt, wo aktuell investiert wird und mit welchen Trends oder Personen es seine Marke in Verbindung bringt. Wir befinden uns mitten in einer Aufkündigungskultur, wo ein unbedachter Tweet mit Boykott-Aufrufen quittiert werden kann. Also muss eine Marke sehr vorsichtig sein mit dem was sie tut und was sie sagt“, erläutert Cobb. „Zum Glück ist Verizon ziemlich gut darin, mit seinen Mitarbeitern zu reden und ihnen zu erläutern, welches die Ziele und Aufgaben sind. Wenn sie einen wegweisenden Schritt unternehmen, zum Beispiel für einen Monat die Werbung auf Facebook stoppen, werden die Mitarbeiter eingeweiht und ihnen genau erläutert, warum das geschieht.
Auch wenn die Entscheidungen über Werbeausgaben und Platzierung eine interne Sache der Geschäftsführung ist, werden sie zu einem öffentlichen Thema, das die Verbraucher wahrnehmen, das Mitarbeiter diskutieren und einiges über die Einstellungen und die Werte einer Marke sagt (Grundpfeiler des internen Marketing). Im Informationszeitalter finden solche Debatten nicht mehr hinter verschlossenen Türen statt. Und wenn eine Entscheidungen nicht im Einklang mit den Werten der Markenfans steht, laufe die Marke Gefahr, „entfolgt“ zu werden, warnt Cobb.
„Authentizität entsteht, wenn eine Marke das Wort führt und den dazu passenden Weg einschlägt“, sagt er. „Betont eine Marke zum Beispiel über mehrere Jahre, dass ihr die Menschenrechte am Herzen lägen und dass sie jede Menge humanitärer Initiativen unterstütze, dann aber keine Reaktion zeigt, wenn wochenlang Millionen Menschen wegen der Polizeigewalt gegen Schwarze auf die Straße gehen … dann ist das nicht folgenlos für das Vertrauen bei den Verbrauchern und Mitarbeitern.“
Auf der anderen Seite müssen Marken darauf achten, zu welchen sozialen Themen sie sich zu Wort melden und wen sie unterstützen. Wenn die Teilnahme an einer gesellschaftlichen Debatte nicht zu den Werten eines Unternehmens passt und alles danach aussieht, als würde man einem emotionalen Diskurs aus wirtschaftlichen Gründen folgen, werden die Verbraucher das schnell merken. Eine soziale Botschaft muss von innen heraus kommen, und die Mitarbeiter müssen sie alle tragen, bevor man damit an die Öffentlichkeit geht.
Britt Cobb, Associate Partner bei Pentagram.
„Man folgt den rätselhaften Äußerungen einer Weltmarke und denkt sich ,Was ist das den für eine Nummer? Das ist nicht die Art und Weise, wie sie von den Kunden wahrgenommen wird oder wie sie über sich selbst spricht“, sagt Cobb. „Als Kunde versteht man vielleicht nicht die Zusammenhänge bis ins letzte Detail, aber man spürt, dass hier etwas nicht zusammenpasst und sich irgendwie unangenehm anfühlt. Es ist entweder schamlos oder nicht gut durchdacht.“
„Jede gute Marke will ihren Kunden ein gewisses Maß an Sicherheit bieten, weil sie etwas richtig verstanden hat und weil ihr Service oder ihr Produkt ehrlich ist und von Herzen kommt.“
von Allison Rebecca Penn.
Allison ist eine in Boston lebende freiberufliche Kreative mit Erfahrung als Autorin in den Bereichen Design, Mode/ Einzelhandel, Immobilien, Bankwesen, Bildung und Konsumgüterindustrie. In der Freizeit begegnet man ihr entweder in einer von zwei Tanzgruppen, auf ihrem Roller durch die Stadt fahrend oder vor einem Teller Hummus.